Kollision Sunniten gegen Schiiten: Der Nahostkonflikt, der alle anderen Regionalkonflikte in den Schatten stellt

Al Madina, Riyadh: schiitischer Führer als Teufel / alles dreht sich um diese Person / Alsharq al Awsat: Solidarität von sunnitischen Monarchien /  / Alalam, Tehran: Saudis mit IS gleichgesetzt / Saudis, sind für Iran der Agressor



Die aktuelle, heftige Konfrontation zwischen der sunnitischen Macht Saudi Arabien und der schiitischen Macht Iran ist keine neue Entwicklung. Sie geht auf die Ursprünge des Islam zurück, als die Gläubigen in der Schlacht von Kerbela darum gestritten haben, wer der rechtmäßige Nachfolger des Propheten ist. Dieser islamische Bruder- und Bürgerkrieg hatte tiefwirkende Konsequenzen, die über die Jahrhunderte mal mehr mal weniger das Geschehen im Nahen- und Mittleren Osten bestimmt haben. Nun steht wieder diese alte islamisch-islamische Konfrontation im Vordergrund und zeigt auf, was die Region an bewaffneten Auseinandersetzungen erlebt.



Aus westlicher Sicht ist dieser, entscheidende islamisch-islamische Nahostkonflikt mit religiösem Hintergrund kaum nachvollziehbar. Darum wird er viel zu wenig beachtet. Die Strategen in den westlichen Hauptstädten versuchen vergeblich, die Krisen in den muslimischen und arabischen Ländern mit anderen Gegebenheiten zu begreifen. Für sie ist es kaum vorstellbar, dass der 1300 Jahre alte Bruch im Islam noch so heftig nachwirkt und die Handlungen der Hauptakteure wider jede Logik weitgehend bestimmt. Doch das ist eine klare Fehleinschätzung, die den beschriebenen Konflikt leider noch verschärft und zur weiteren Eskalation beiträgt.

Die jüngsten Auseinandersetzungen um die Vollstreckung der Todesstrafe gegen den schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimer durch Saudi Arabien belegen deutlich, worum es eigentlich geht. Aus sunnitischer Sicht versucht die schiitische Macht Iran ihren Einflussbereich zu erweitern und auf der arabischen Halbinsel Fuß zu fassen. Nach saudischer Lesart ist dieses agressive Verhalten des Iran darauf zurückzuführen, dass die schiitische Macht in den letzten Jahren durch Handlungen des Westens erheblich gestärkt wurde. Die Zentralmacht im Irak ist heute schiitisch dominiert. Der Iran wurde zudem von der Last der westlichen Sanktionen befreit, ohne das er auf sein militärisches Atomprogramm verzichtet.

Die sunnitischen Kräfte verzeichnen ein politisches Erdbeben, das seine Spuren in der ganzen Region hinterlässt. Der Iran mischt sich aktiv in die Kämpfe im Jemen ein - zugunsten der schiitischen Minderheit, versteht sich. In Syrien unterstützt der Iran weiterhin massiv die alawitische (also schiitische) Vormachtstellung des Regime von Präsident Bashar Assad, dessen Verbleib in Damascus nun auch vom Westen geduldet wird. Das IS-Kalifat - das im wesentlichen die sunnitische Antwort auf den schiitischen Vormarsch darstellt - wird von vielen Staaten verpönt und bekämpft. Moderate Sunniten sehen sich machtlos und fühlen sich praktisch gezwungen (wenn auch heimlich), sich mit IS zu solidarisieren.

Der heftige, brutale Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten ist voll im Gange. Für die sunnitischen Golfmonarchien tobt er nun auch auf der arabischen Halbinsel, wo schiitische Volksgruppen durch den Iran massiv unterstüzt werden. Besonders gefährlich ist die Lage in Bahrain, das eine schiitische Mehrheit aufweist, die durch eine sunnitisch Monarchie unterdrückt wird. Doch Gefahr lauert auch anderswo. In Katar zum Beispiel, wo nur etwa dreihunderttausend Bürger über eineinhalbmillionen Menschen dominieren, die keinerlei politische Rechte haben und teilweise als Sklaven ausgenutzt werden. Auch Saudi Arabien fühlt sich betroffen und beschuldigt schiitische Kräfte das Land zu destabilisieren oder gar zu spalten.

Im Westen fragt man nach "Lösungen". Doch jeder Kenner der Region weiß, dass es für den sunnitisch-schiitischen Konflikt keine "Lösung" gibt. Vielmehr müsste man den Weg finden, die aktuellen Spannungen zu reduzieren und die gegenseitige Einflussnahme auszubalancieren, um einen pragmatischen, gemeinsamen Nenner zu finden. Momentan ist diese Aufgabe besonders schwierig, da sich wichtige Parameter zu Ungunsten der Sunniten geändert haben. Nun suchen die regionalen muslimischen Mächte einen neuen Ausgleich und testen dabei ständig, wieweit sie ihre Machtansprüche abstecken können. Es wird vermutlich noch lange dauern, bis sich die gegenwärtigen Machtverschiebungen in der Region zu einer neuen Phase der Stabilität entwickeln.

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