Fars News Agency, Iran: Amerikaner & Saudis gemeinsam gegen Syrien / Syria Times, Damascus: drei Zeichnungen, die die angebliche amerikanische-sunnitische-saudische Verschwörung gegen das schiitische Syrien dokumentieren
Höchst merkwürdig und zugleich lehrreich: der schon längst totgesagte syrische Präsident Bashar Assad hält sich erstaunlicherweise seit Jahren an der Macht, obwohl große Flächen seines Landes nicht mehr von ihm kontrolliert werden. Dabei zeigt sich auf eindrucksvolle Art und Weise, dass im komplizierten Gerangel der Interessen und Loyalitäten in arabisch-beherrschten Regionen die religiöse Komponente wohl die wichtigste ist.
In Syrien - wie übrigens im Irak und im Yemen - tobt seit Jahren ein genadenloser Kampf zwischen Sunniten und Schiiten. Dieser Kampf bestimmt vor allem die politischen Realitäten, die aus westlicher Sicht für sehr viel Unverständnis oder gar Verwirrung sorgen. Die Strategen und Kommentatoren im Westen denken an Zerstörung von Giftgas-Vorkommen, an einen Feldzug gegen Terror, an ethnische Konflikte, an Rivalitäten unter den Großmächten, an humanitäre Hilfeleistungen und Vieles mehr. Die Kämpfer auf dem Terrain werden jedoch in erster Linie eingesetzt, um ihre Glaubensgenossen zu schützen, die Opfer von Kriegen zwischen zwei konkurrierenden Strömungen des Islam geworden sind.
Natürlich sind auch andere Überlegungen im Spiel. Diese habe ich in dieser Website oft betont. Doch am Ende ist es die dramatische Verschärfung der sunnitisch-schiitischen Konfrontation, die die Lage in den genannten Ländern bestimmt. Dabei spielen die Handlungen des Westens eine nicht unerhebliche Rolle. Die Strategen in Washington und in den Hauptstäden Europas haben Ziele definiert und verfolgt, die keinen realistischen Bezug zu den aktuellen Krisen und Kriegen haben. Dadurch ist die Lage noch komplizierter geworden als sie ohnehin schon war.
Grob gesehen ist eine dramatische Stärkung der schiitischen Mächte und Religionsgemeinden zu beobachten. Gleichzeitig entstand eine Situation der Unsicherheit und Zersplitterung bei sunnitischen Mächten und Religionsgemeinden. Diese Umstände verschärfen insgesamt die alte Konfrontation zwichen Sunniten und Schiiten und tragen dazu bei, dass der über tausend Jahre alte Konflikt zwischen beiden Strömungen gewaltsamer und brutaler geworden ist. Die Auswirkungen erleben tagtäglich viele Millionen Menschen in den genannten Ländern. Auch Europa bekommt etwas mit - und zwar in der Form von vielen muslimischen Flüchtlingen, die Zuflucht auf dem alten Kontinent suchen.
Was ist im Einzelnen in diesen Ländern passiert? Im Irak sorgte die westliche Intervention dafür, dass die Sunniten ihre Vormachtstellung zugunsten der Schiiten verloren haben. Die Konsequenz ist eine weitgehende Übernahme durch die schiitische Macht Iran und die Entstehung des sunnitischen Kalifat ISIS, das sich als Gegengewicht sieht. In Syrien konnte sich der alawitische (also schiitische) Machthaber trotz enormen Drucks behaupten, da er durch Glaubensgenossen aus dem Iran unterstützt wird. Im Yemen hat der Westen - vom sogenannten "arabischen Frühling" beeindruckt - einen sunnitischen Diktator fallen lassen. Die Konsequenz ist ein grausamer Bürgerkrieg und weitgehende Übernahme durch schiitische Kräfte, die vom Iran massiv unterstützt werden.
Der heftige sunnitisch-schiitische Zusammenstoß ist für den Westen ein Rätsel, das nach hiesiger Denkweise keine Gewaltanwendung rechtfertigen würde. Doch die Logik der ehemaligen Kolonialmächte und der jetzigen Nato-Allierten bestimmt keineswegs das Geschehen im Nahen Osten. In ihrer Irrelevanz hat sie in den letzten Jahren ungewollt dazu beigetragen, auf tragische Weise innerarabische und innermuslimische Entwicklungen in wiederholte Waffengänge umzumünzen. Das ernüchternde Fazit sollte lauten, dass der Westen seine eigenen Grenzen besser kennen und politisch abstecken muss, damit nicht noch mehr Schaden für die Region und ihre Völker entstehen.
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