Krieg in der Ukraine: Den historischen und demografischen Umständen muss Rechnung getragen werden

Moscow Times: Panzer aus Moskau in der Ukraine im Einsatz / ...wobei Russland auch andere Probleme hat / Obozrevatel, Kiev: wie kann man das riesige Russland wirksam bekämpfen? / Podrobnosti: bekommt die Diplomatie doch noch eine Chance?



In Europa tobt ein schlimmer Krieg. Und das seit über einem Jahr. Weit mehr als 6000 Menschen haben ihr Leben verloren (deutsche Sicherheitskreise glauben, es dürften fast zehn Mal so viele sein, also 50 oder 60 tausend). Über 100 tausend Menschen wurden verletzt, viele von ihnen so schwer, dass sie nie wieder ein normales Leben führen können. Ganze Stadtteile von großen Metropolen liegen in Schutt und Asche. Die Produktion in vielen Betrieben ist zum Erliegen gekommen. Ein moderner, schöner Flughafen wurde bei den Kämpfen völlig zerstört. Dieser Krieg geht auf das Konto einer fehlerhaften Diplomatie und hätte verhindert werden können.



Die Versuchung liegt nahe, für diese miserable Lage den russischen Präsidenten Vladimir Putin verantwortlich zu machen. Die europäischen Gazetten sind voll mit Berichten über die autoritären Methoden des Kreml-Chef. Man sagt ihm nach, dass er möglicherweise psychisch nicht ganz stabil ist. Man erzählt gerne, dass Putin den Bezug zur Realität verloren hat und nicht mehr vernünftig seine Optionen abwägen kann. Man beschreibt ihn als impulsiv, aggressiv und gnadenlos. Den Wahrheitsgehalt solcher Schilderungen kann man schlecht verifizieren. Doch es ist anzunehmen, dass ein gewisser Teil dieser Behauptungen tatsächlichen zutreffend sind.

Dennoch sollte man nicht Putin allein die Schuld für diesen Krieg in die Schuhe schieben. Das wäre ein grober Fehler. Das würde die verfahrene Situation noch komplizierter machen und einen notwendigen Ausgleich in weite Ferne rücken lassen. Putin ist sicher mitverantwortlich für die schreckliche Lage, weil er nicht immer den Dialog sucht und oft genug eigenhändig handelt. Putin hat immer wieder absichtlich getäuscht, als er erklärte, dass russische Truppen an den Kampfhandlungen nicht beteiligt sind. Putin hat sich kaum bemüht, eine internationale Legitimation für die Annektion der Krim zu bekommen und stellte die Welt vor vollendete Tatsachen.

Hier fehlt allerdings eine mutige Analyse zum eklatanten Versagen des Westens. Sowohl die USA als auch die europäische Union haben schwere Fehler begangen, als sie äusserst unkritisch die Umwälzungen in der Ukraine verbal, politisch und diplomatisch unterstützt haben. Diese Rückendeckung für eine angeblich "friedliche Revolution" wurde damals mit großer Begeisterung in vielen Äusserungen und Stellungnahmen belegt. Es war einfach sehr schön, dass sich die Menschen in der Ukraine endlich befreien wollten. Doch es war eine Selbsttäuschung zu glauben, dass das ganze Land freiwillig eine neue, westliche Identität sucht.

Das war ein falscher Weg! Die besagten Umwälzungen bezogen sich praktisch auf die eine Hälfte des Landes, die ohnehin historisch westlich orientiert ist. Dabei wurde die komplizierte Geschichte sowie die demografische Struktur der Ukraine völlig ausser Acht gelassen. Somit war der blutige Konflikt vorprogrammiert. Der Westen der Ukraine wählte eine neue Orientierung - mit großem Applaus aus Washington und Brüssel. Die Teile des Landes im Osten und im Süden, die kulturell und politisch ohnehin russisch orientiert sind, wurden durch die revolutionäre Entwicklung marginalisiert. Seit Beginn dieser Krise rebellieren sie mit Waffengewalt, was schon Millionen Menschen zu Flüchtlingen machte. Das hätte man im Westen wissen müssen. Dieser fehlende Weitblick hat den Krieg mitausgelöst.

Lesen Sie bitte auch diese Beiträge:

Krise um die Ukraine überschattet das Treffen der Mächtigen

Die Ukraine gespalten, der Irak zerfallen; Daran kann auch die NATO nichts mehr ändern

_________________________________

You are welcome to follow and comment on Facebook & Twitter

Das Wunder von Leipzig: kann eine friedliche Revolution auch im Orient gelingen? / Revolution Update: Enjoying Freedom… in Leipzig… / המהפיכה שהצליחה

Schlagwörter: , , , ,

Anmelden