Nach dem Tod von König Abdullah: Diese Analyse der saudischen Politik gilt heute erst recht

Sharq Al Awsat: Irak und die Region zerrissen / Okaz: ...die Bombe für Arabien tickt / Al Eqtisadiah: Roller Coaster Erdölpreis als Machtinstrument / Business Insider: ...und dieser Sperrwall, der Feinde abhalten soll



Es ist eher normal, dass der verstorbene König von Saudi Arabien geradezu mit Lo­bes­hym­nen aus dem Westen überschüttet wird. Der Monarch wird als Anker der Stabilität beschrieben; sein Wirken wird als Ausdruck der Weisheit und Besonnenheit dargestellt; er hätte Mut bewiesen und suchte stets den Frieden. Lauter schöne Worte, die wohl internationalen Gepflogenheiten entsprechen. So weit so gut. Daran ist nichts zu kritisieren.



Doch in der Realpolitik gab es während der Herrschaft von König Abdullah zunehmend Irritationen zwischen Saudi Arabien und dem Westen. Diese werden auch unter seinem Nachfolger Salman ganz sicher fortbestehen oder gar gestärkt. Denn aus saudischer Sicht wurden die Gründe für die Verstimmungen nicht geändert. Der Westen hat die Umwälzungen der letzten Jahre im Orient schlicht und einfach nicht richtig eingeordnet und völlig falsch interpretiert. Da wo angeblich Liberalismus und Offenheit auf dem Vormarsch sein sollten, wurde Tür und Tor für religiösen und politischen Fanatismus geöffnet. Das tragische Ergebnis ist in Libyen, im Irak, in Syrien, im Yemen und anderen Ländern zu sehen. Zudem stärkte der Westen mit seiner nachgiebigen Politik die schiitische Macht Iran erheblich, und nahm damit Partei in einem jahrhundertealten, blutigen Streit zwischen Sunniten und Schiiten in der Region.

Bereits unter Abdullah sah sich Riyadh gezwungen, auf die dramatischen Entwicklungen in seiner Umgebung eigenmächtig zu reagieren. Dabei ist es besonders lehrreich festzustellen, wie das riesige arabische Königreich in seine Schlußfolgerungen auch die wichtigsten Ereignisse im Westen miteinbezieht. Gegenwärtig gibt es einen klaren Trend, den die jüngsten Terroranschläge in Europa deutlich verstärken.

Dieser Trend lautet: Wir Saudis können uns kaum noch auf alte Freundschaften verlassen, die über Jahrzehnte - eigentlich seit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft - gepflegt worden sind. Um unser System und unsere Lebensart zu bewahren, müssen wir nun umdenken. Wir stehen ziemlich alleine da. Wir müssen in der Lage sein, uns gegen Feinde im Inneren sowie aus der unmittelbaren Region zu verteidigen. Die beste Strategie zur Zeit ist, uns auf die eigenen Werte zu besinnen und unsere Kräfte zu stärken. Der äussere Ausdruck dieser Strategie wird in Stahl und Beton gegossen. Er besteht aus modernen Grenzanlagen, die über knapp Tausend Kilometer gebaut werden und sowohl Mauern wie auch Stacheldraht und elektronische Überwachungseinrichtungen enthalten. Das ist der neue Sperrwall an der Grenze zum Irak (siehe die Bildergalerie oben). Er soll veraltete Anlagen ersetzen, die sich als unwirksam erwiesen haben.

Mehrere Gegebenheiten haben in letzter Zeit zu dieser Handlungsweise der Saudis geführt. Ich nenne sie hier mit einigen, wenigen Stichworten.

  • In den Verhandlungen mit dem Iran hat der Westen so weit nachgegeben, dass das Ergebnis ziemlich klar feststeht. Das heißt, der schiitische Gottesstaat bekommt praktisch die Erlaubnis Kapazitäten einer Nuklearmacht weiterzuentwickeln, auch wenn er die Bombe selbst nicht herstellt. Das zwingt Saudi Arabien als Inkarnation des sunnitischen Islam, an eigenen Kapazitäten dieser Art zu arbeiten.
  • Die USA und der Westen sind dabei, ihre jahrzehntelange Präsenz am persischen Golf und im Nahen Osten kontinuierlich abzubauen. Parallel dazu versuchte die USA unter der Präsidentschaft von Barack Obama, Annährung an die extremistische Muslim Brotherhood zu suchen, die Saudi Arabien als einen gefährlichen Feind betrachtet.
  • Das Engagement des Westens gegen den neuen islamischen Staat im Irak und in Syrien ist völlig unzureichend. Das Kalifat behält sein Territorium und erweitert es sogar. Auch auf der ideologischen und propagandistischen Front verbucht das Kalifat große Erfolge, indem es Tausende Muslime im Westen zum Kampf in seinen Reihen gewinnt.
  • Der Westen ist nicht in der Lage, die neue Gefahr des radikalen Islam zutreffend zu analysieren und auszuwerten. Das zeigen die wiederholten Erklärungen, dass die Terroranschläge in europäischen Ländern angeblich nichts mit dem Islam zu tun haben. Die falsche Herangehensweise erschwert oder verhindert gar den wirksamen Kampf gegen die Extremisten.
  • Die Saudis verfolgen mit Argwohn, wie der Westen seine Beziehungen mit Katar intensiviert - ein Emirat, das die Muslim Brotherhood massiv unterstützt und über seinen eigenen Sender Al Jazeera täglich Hetze und Hass verbreitet. Als Reaktion darauf verstärkt Saudi Arabien demonstrativ seine Zusammenarbeit mit Ägypten und zeigt sich offen für weitere Allianzen gegen regionale extremistische Kräfte.
  • Schließlich und nicht ganz unwichtig: Saudi Arabien ist nicht bereit, seine Erdölproduktion zu drosseln, um den Preisverfall des Öl zu bremsen. Im Gegenteil. Die Saudis erhöhen die Produktion ständig. Ihr Kalkül dabei ist unter anderem, die teuren Methoden zur Energiegewinnung im Westen (etwa Fracking) unattraktiv zu machen. Damit hoffen die Saudis, ihre Machtstellung als Hauptlieferant von Erdöl zu erhalten und sich für die Zukunft fit zu machen.

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