Kristallnacht, Mauerfall: zwei Schicksalstage am 9. November 1938 & 1989 / Two days in November that shaped Germany & Europe / ליל הבדולח ונפילת חומת ברלין: תשיעי בנובמבר ששינה את גרמניה ואירופה כולה
Die Welt: Trabi Stau nach dem Mauerfall / Spiegel: Close up auf Trabi / WESTdeutsche Allgemeine Zeitung: Freude auch im WESTEN / TAZ wird gereicht - grenzüberschreitend / Kurier, Österreich: MauerFALL als FALL für die Freiheit / Südkurier: trennendes gibt es immer noch / Lausitzer Rundschau: Geschichte wird restauriert / Berliner Morgenpost: Protokolle dokumentieren das Drama vom November / Mauerfall Jubiläum am Brandenburger Tor (Trierischer Volksfreund, Berliner Morgenpost) / Foto Mitte: Detlef Müller in der Bornholmer Straße (9. November 2009)
דניאל דגן - Heute gedenken Deutschland und die Welt der Opfer vom 9. November 1938. In dieser Pogromnacht - der sogennanten Kristallnacht - begann die organisierte Judenverfolgung im Dritten Reich. Sie endete mit der Shoa und letzlich mit dem Zusammenbruch 1945.
Heute feiern Deutschland und die Welt den Mauerfall vom 9. November 1989. Die Folgen des zweiten Weltkriegs wurden damit überwunden. Die Deutschen in Ost und West kamen wieder zusammen. "Die deutsche Frage" gibt es praktisch nicht mehr.
Domino Mauer ///// Domino Wall ///// Mur de Domino ///// Muro al Dominó ///// חומת הדומינו
Domino Mauer ///// Domino Wall ///// Mur de Domino ///// Muro al Dominó ///// חומת הדומינו
9. November: von Berlin Ost nach Jerusalem - das bewirkte der Mauerfall auch!
Detlev Müller ist ein Berliner, der wie viele andere den Mauerfall hautnah erlebte. Hier eine Zusammenfassung seiner persönlichen Erinnerungen.
Der 9. November war ein Donnerstag. Bis zum Nachmittag war ich mit dem Theologie-Studium an der Predigerschule „Paulinum“ gegenüber vom Märchenbrunnen im Friedrichshain und beschäftigt und beflügelt von den unglaublichen Aufbrüchen der vergangenen Zeit.
In jenen Tagen war ja wirklich alles befreiend im Fluss - jeden Tag geschah etwas Neues, das ich bis dahin noch nicht erlebt hatte. Noch am 4.11. hatte ich mit einigen Kommilitonen mit einem großen Transparent gegen die Stasi-Herrschaft bei der riesigen Demo auf dem Alexanderplatz demonstriert und war inspiriert von der Orginalität und Kreativität der Teilnehmer, von den gewaltigen Energien für Demokratisierung, die dort sichtbar geworden waren (welche dann ab dem 9.11. quasi gen Westen „verpufft“ sind).
Am frühen Abend des 9.11. habe ich eine Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom 1938, die wie jedes Jahr in der Sophien-Kirche stattfand, mitgestaltet und kehrte von dort in entsprechender Gestimmtheit in meine kleine Wohnung im Prenzlauer Berg zurück. Am Nachmittag hatte ich noch den Brief meines seit Kindheitstagen besten Freundes Klaus vorgefunden, in welchem er mir anhand eines beigelegten Flyers zeigte, wo er jetzt, nach seiner Ausreise Ende August, als Kellner arbeitete (oft in Spätschichten). Noch am selben Tag konnte ich diese Information gut brauchen!
Mit meinen Gedanken in der Nazi-Zeit kehrte ich also zurück und begann, in der Küchenspüle Kleidung zu waschen. Nebenbei hörte ich den Tagesthemen zu, die von der Pressekonferenz mit Schabowski und dann auf einmal von einer Öffnung des Überganges Bornholmer Straße berichteten. Ich traute meinen Ohren und Augen kaum, griff mir den Stadtplan von West-Berlin, den ich mir einige Monate vorher von meiner dort lebenden Oma hatte schenken lassen, dazu meinen nie benutzten DDR-Reisepass und meinen Personalausweis.
Ich zog mich warm an und fuhr gegen 22.15 Uhr auf meinem Rad Richtung Bornholmer Straße. Den Grenzübergang kannte ich von einigen Malen, bei denen ich einen Freund aus Westberlin dort begrüßt hatte, ganz gut. Schon auf der Schönhauser Allee wurde der Verkehr dichter und die zum Übergang führende Bornholmer Straße war schon fast voll mit wartenden Autos. An denen fuhr ich schnell vorbei, sah dann viele Menschen vor dem Übergang stehen und warten.
Ich schloss dort mein Fahrrad an und ging zu dem Durchgang, vor dem auch einige Leute standen. Es stand noch nicht mal eine große Schlange dort, also ging ich hindurch, stellte mich hinter ca. 10 Personen, die ebenso wie ich nicht glauben konnten, was gerade geschieht, an und wartete vor der Abfertigungsbox, die noch unbesetzt war. Nach ca. 5 Minuten eilte ein Grenzsoldat herbei, setzte sich in den Kabuff und begann mit der Abfertigung.
Kurz darauf händigte auch ich meinen Ausweis aus, er stempelte einen Stempel auf mein Passbild (Jahre später erst erfuhr ich, dass ich damit als ausgebürgert gelten und identifiziert werden sollte) und einen Stempel mit Ort und Datum daneben und dann: Konnte ich einfach hinüber gehen! Ich kam mir wie im Traum vor, andererseits wusste ich genau, was ich zu tun hatte. Ich lief ca. hundert Meter an der großen PKW-Abfertigungsanlage vorbei, immer geradeaus auf einem ziemlich leeren Weg, der zur Brücke führte. Niemand hielt mich auf oder sprach mich an – völlig surreal. Also lief ich einfach weiter und dachte mir: „Das kann doch nicht wahr sein! Wie geht es jetzt weiter? Mit der DDR ist es jetzt auf jeden Fall vorbei.“
Als ich kurz darauf am Westende der Brücke ankam, standen dort schon etliche Leute, die jeden der Ankommenden mit einem fröhlichen „Hallo!“ empfingen. Ich konnte nur ungläubig lächeln und suchte den kürzesten Weg zur U-Bahn-Station Osloer Straße. Freundliche Polizisten wiesen mir den Weg und mit dem Bus fuhr ich wenige Stationen. Ich stieg in die noch ziemlich leere U-Bahn und überlegte, wohin ich jetzt eigentlich fahren will. Meine Oma wollte ich nicht mitten in der Nacht aufsuchen, und so erinnerte ich mich an meinen Freund Klaus und die Wegbeschreibung zu seinem Arbeitsplatz. Also erreichte ich mit meinem Stadtplan ziemlich schnell Bahnhof Zoo und suchte nach der Knesebeckstraße, wo ich ihn in einem Hotel-Bistro zu finden hoffte.
Eine viertel Stunde später stand ich tatsächlich davor und war außer Freude, als ich ihn innen hinter einer Theke stehen sah. Ich ging hinein und lief direkt vor ihm vorbei, weil ich ihn durch eine verspiegelte Säule weiter entfernt stehen wähnte. Als ich dann zu ihm zurückging, fielen wir uns fassungslos um den Hals und ich klärte ihn über die Grenzöffnung auf, von der er noch nichts mitbekommen hatte.
Er war auch aus anderen Gründen geschockt, denn er hatte fest geglaubt, mit seiner Ausreise „den Osten“ endgültig und für immer hinter sich gelassen zu haben. Und nun stand er in meiner Gestalt wieder vor ihm! Seine Spätschicht ging bald darauf zu Ende und wir fuhren mit der S-Bahn, an der auch damals (wie eigentlich immer?!) gebaut wurde, nach Wannsee. Dort wohnte er seit kurzem mit seiner fünfköpfigen Familie. Die „Nacht der Nächte“ am Ku-Damm habe ich dadurch nicht miterlebt, erst am folgenden Tag erlebte ich den absoluten Ausnahmezustand dort. In der Wohnung wurde ich von seiner Frau empfangen, die auch fassungslos, aber eindeutig glücklicher war, als mein Freund.
Diese und die folgende Nacht habe ich bei meinen besten Freunden geschlafen, ich wollte so viel wie möglich erzählen und von der Stadt sehen, die ich bis dato als Einziger aus meiner Familie noch nie hatte erleben dürfen, obwohl ich immer in ihrem anderen Teil gelebt hatte. Außerdem wollte ich erst sehen, dass die Grenze offen blieb, bevor ich wieder nach Hause fahre. So habe ich erst zwei Tage später wieder mein Fahrrad abgeholt, bin mit Freude, aber auch mit einer gewissen Spannung, wie es jetzt weitergehen wird, in meine Wohnung zurück gekehrt und habe die angefangene Wäsche beendet.
Ein gutes halbes Jahr später konnte ich einen Monat lang Israel, seine Sprache, die dort lebende Menschen kennen lernen und damit bekam mein Leben eine ganz neue Richtung und vorher unvorstellbare Impulse.
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