Abschied von Ariel Sharon; der israelische Held, wie ich ihn kannte

Gil Gibli in Globes: Ariel Sharon / Ronny Gordon in Ma'ariv: nimmt Abschied / Shlomo Cohen in Israel Ha'yom: ...und lässt Israel rätseln / ...ob er politisch Falke oder Taube war



Als Journalist und als Freund hatte ich die Gelegenheit, Ariel Sharon an entscheidenden Lebensstationen zu begleiten. Beispielhaft nenne ich seine Initiative zur Bildung der Likud Partei, die Israel heute regiert (als politischer Korrespondent war ich einer der ersten, der von diesem überraschenden Schritt erfahren hat); die Überquerung des Suez-Kanals 1973, was das Kriegsgeschehen zugunsten Israels änderte (mit dem von ihm geschlagenen Brückenkopf  kam ich zum ersten mal wieder ins Kernland Ägypten, das ich Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts als Flüchtling verlassen musste); die überraschende Ankündigung 2003, dass Israel plant, alle zivilen und militärischen Einrichtungen im Gazastreifen komplett zu räumen (diese erfolgte bei einer Beratung mit dem engen Stab von Sharon, bevor sie offiziell in der Universität Herzliya publik gemacht wurde).



Bei diesen Ereignissen sowie bei zahllosen anderen Gesprächen und Begegnungen habe ich Sharon als eine Person erlebt, die von der Richtigkeit seiner umstrittenen Handlungen 100 Prozent überzeugt war. Er trat so auf, als ob sein aktuelles Ziel alternativlos ist. Er machte alles sehr gekonnt und oft genug auch trickreich, um seine Thesen, Planungen und Entwürfe für Israel Realität werden zu lassen.In den oben genannten Beispielen sowie in vielen anderen Lebensstationen setzte er sich trotz enormer Widerstände durch. Das lag an seiner Fähigkeit, Leute zu führen, Orientierung zu geben und den Glauben an eine bessere Zukunft wachzuhalten. Sharon hat durch Hatnäckigkeit und Führungsqualitäten überzeugt, zudem ein erstaunlicher Fleiß und gernzenloser Mut gehörten.

Beim heutigen Abschied von Sharon wird vielfach versucht, sein politisches Erbe zu vereinnahmen, um bestimmte Ideen oder Pläne zu unterstützen. Diese Versuche sollte man äusserst kritisch betrachten. Bereits vor acht Jahren ist Sharon durch seine schwere Krankheit praktisch von uns gegangen. In diesem Zeitraum konnte er nicht mitbekommen, was sich in der Region und der Welt zugetragen hat - wie etwa der sogenannte Arabische Frühling, der insgesamt gesehen den militanten Islam stärkte. Der letzte dramatische Schritt von Sharon - der Rückzug aus dem Gazastreifen - hat keineswegs das gebracht, worauf er hoffte, und womit er gerechnet hat. Israel hat keine Ruhe an seiner südlichen Front bekommen. Schlimmer noch - der jüdische Staat wurde Opfer einer beispiellosen Kampagne der Delegitimierung, weil er es gewagt hat, sich gegen Raktenterror zu verteidigen.

Sharon hat viele Fehler gemacht, für die Israel auch heute noch teuer zahlen muss. Doch seine Leistungen übersteigen bei Weitem die Fehlentscheidungen und die Handlungen, die im Nachhinein als nicht nützlich oder gar gefährlich gewertet werden müssen. Der Kriegsheld Sharon wusste ganz genau, dass Waffengänge die aller schlimmsten Maßnahmen darstellen, um Probleme zwischen Menschen und Völkern zu lösen. Doch er wurde immer wieder mit dem Umstand konfrontiert, dass Israel von Feinden umgeben ist, die den jüdischen Staat auslöschen wollen. Trotz dieser unausweichlichen Erkenntnis versuchte Sharon in verschiedenen Funktionen, Ausgleich mit den Nachbarn zu suchen. Die Umstände sorgten allerdings dafür, dass es leider nicht gelingen konnte. Der endgültige Abschied von Sharon erinnert daran, dass seine selbst gestellte Lebensaufgabe - Frieden in Sicherheit für Israel - noch lange nicht erfüllt ist.

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