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Was passiert in der zentralafrikanischen Republik? Als ein gebürtiger Afrikaner fühle ich mich verpflichtet, Ihnen die Lage in großen Zügen zu erklären. Fangen wir gleich mit der Geschichte an. Sie lehrt uns, dass es eigentlich keine zentralafrikanische Republik gibt. Dieses Gebilde ist ein künstliches Werk, das durch die Kolonialmacht Frankreich entstand. Es ist sehr fragwürdig, ob und wie es halten kann. Es fehlt vorne und hinten an einem Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit. Es fehlt ohnehin an einer gemeinsamen politischen Kultur sowie an der notwendigen ökonomischen und administrativen Infrastruktur, die Staaten in herkömmlichen Sinne brauchen.
Frankreich eroberte und verwaltete das riesige Gebiet - das größer als das Mutterland selbst ist! - im 19. Jahrhundert. Als Paris in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gezwungen wurde, seine Kolonien aufzugeben, blieb das Gebiet als eine gewisse Verwaltungseinheit zurück. Das war es schon. Die kleine Bevölkerung (heute sind es gerade 4,5 Millionen Menschen) war und bleibt geteilt (und bitter zerstritten!) in verschiedene Stämme, Sprachen, Religionen und Loyalitäten. Daran hat sich bis heute wenig geändert.
Selbsternannte politische Führer versuchten immer wieder eine Art Imperium zu bilden, das teilweise auch gleich einige weitere Länder in der Region umfassen sollte. Ein Politiker ging sogar soweit, sich selbst als Kaiser zu ernennen - mit Glanz und Gloria und dem ganzen Pomp (und Ausgaben), die dazu gehören. Das Ergebnis war immer das gleiche. Eine Diktatur löste die vorhergehende Diktatur ab. Eine Volksgruppe herrschte über die andere. Rebellen hatten immer gute Gründe, gegen die Zentralmacht zu kämpfen. Diese konnte sich nie so richig etablieren.
In einer solchen Phase befindet sich die zentralafrikanische Republik heute wieder. Die Rebellen von Séléka beherrschen mehr oder weniger große Teile des Landes. Es gibt heftige Kämpfe, die in schlimme Massaker münden. Diese richten sich aktuell vor allem gegen Christen. Frankreich und Europa fühlen sich berufen, militärisch zu intervenieren und humanitäre Hilfe zu leisten. Das scheint momentan die einzige Hoffnung, das gegenseitige Morden zu stoppen. Eine Stabilisierung des armen und seit seiner Unabhängigkeit miserabel regierten Landes bringt diese Intervention nicht.
Kein geringerer als François Hollande versucht nun einen Plan zur Lösung der dringenden Probleme zu finden. Das Heil sucht der französische Präsident in der Einführung der Demokratie und die baldige Abhaltung von freien Wahlen, wie er gestern abend in diesem Interview erklärte. Hollande irrt sich natürlich. In der zentralafrikanischen Republik fehlen die Voraussetzungen für die demokratischen Verhältnisse, die Europa zu exportieren versucht. Freie Wahlen in der jetzigen Lage wären eine Farce - wie bereits alle früheren Wahlen im Land. Daran wird auch eine wunderschön formulierte, angeblich demokratische Verfassung nichts ändern. Diese gibt es ja ohnehin schon - doch leider nur auf dem Papier.
Realismus muss endlich her - wie übrigens in anderen, weiten Teilen von Afrika. Die zentralafrikanische Republik braucht neue Strukturen, die die verschiedenen Stämme einbinden oder sie eventuell voneinander trennen. Das Land muss sich auf einen langen Prozess der Bildung einer Zivilgesellschaft einstellen, bevor es sich die demokratischen Rituale aus dem Westen zu eigen macht. Das Land braucht einen soliden wirtschaftlichen Aufbau. Das Land muss den Weg suchen, sich selbst als eine politische Einheit neu zu definieren.
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Schlagwörter: damien glez, germ, künstliches Werk, Séléka, zentralafrikanische Republik?
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