Abhörskandal und kein Ende? Eine vernünftige Zusammenarbeit muss wieder her

Shlomo Cohen in Israel Ha'yom: abhören statt zuhören / FAZ: wusste Obama oder nicht? / Berliner Zeitung sowie Berliner Kurier: Berlin schockiert / Patrick Blower in The Telegraph: jeder hört jeden ab



Jeder hört jeden ab, zeichnet Patrick Blower von der britischen Zeitung The Telegraph. Diese Vorstellung (letztes Bild in der Galerie) mag vereinfacht sein. Wir haben keine vollständigen Informationen darüber, wer von wem wann genau abgehört wurde. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und wie US-Präsident Barack Obama bei seinen zahlreichen Besuchen im Ausland oder gar in Washington selbst ein Opfer von Abhörmethoden geworden ist, die sein Land gegen andere Weltführer anwendet. Doch der britische Karikaturist hat bestimmt nicht ganz unrecht, wenn er zu suggerieren versucht: das gegenseitige Abhören unter den mächtigsten Männern und Frauen der Welt ist keine Seltenheit.



Diese Gewissheit ist insofern wichtig, weil sie die Chance bietet, die gegenwärtige Affäre durch ehrliche Gespräche zu bereinigen. Wenn sich Bündnispartner und Freunde bald am Verhandlungstisch treffen, wird wohl keine Seite mit einer weissen Weste auftreten können. Alle haben etwas zu verbergen, was die Aktivitäten ihrer Geheimdienste angeht. Das ist keine schlechte Grundlage, die Grenzen der gegenseitigen Verständigung abzustecken und zu einer vernünftigen Zusammenarbeit zurückzukehren. Das ist sicher auch ein Grund dafür, dass die europäische Union die Verhandlungen über eine Freihandelszone mit den USA trotz Protesten von Scharfmachern fortsetzt.

Die amerikanischen Geheimdienstler wissen sehr viel über ihre britischen, französichen und auch deutschen Berufskollegen. Manches ist bestimmt höchst peinlich. Umgekehrt wissen die britischen, französischen und deutschen Geheimdienstler sehr viel über die dunklen Tätigkeiten ihrer amerikanischen Berufskollegen. Gegenwärtig wird dieses Wissen zum erheblichen Teil in führenden Gazetten weltweit verbreitet. Das ist aus amerikanischer Sicht eine Panne globaler Dimensionen, die nun durch diplomatisches Geschick schnellstens zu beheben ist.

Leider ist die Vorstellung unrealistisch, dass Geheimdiesnste weltweit oder auch nur innerhalb der NATO und der EU nicht mehr versuchen, gegenseitig Informationen über Gegner und Partner zu sammeln. Man kann natürlich anstreben, bestimmte Spielregeln unter Freunden zu formulieren und hoffentlich auch einzuhalten. Doch es steht bereits jetzt fest, dass man sich nicht nur auf solche Vereinbarungen verlassen wird. Gelegentlich wird man gezwungen sein, die eigenen Sicherheitsmassnahmen zu überprüfen und zu verbessern. Denn ein Nebenskandal besteht ja darin, dass diese Massnahmen im Falle von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht gerade glänzend funktionierten.

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