Mauer an der Grenze zu Syrien: die Türkei wollte führen, doch nun muss sie sich abkapseln

Hurriyet, Istanbul: wir bauen eine Mauer / Ria Novosti, Moskau: ...um uns vor anderen Muslimen zu schützen / Sky News, London: die bisherigen Barrieren reichen nicht aus / Orient und Okzident: Übersicht ist nicht immer einfach / Irin News, Johannesburg: Europa verbarrikadiert sich ohnehin / Berliner Morgenpost: Beispiel Lampedusa



Das orientalische Märchen wollte, dass die Türkei als Modell für die arabische Welt gilt. Erzählt vom türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdogan lautete diese moderne Tausendundeine Nacht Geschichte, dass alle Muslime in der Region sich auf eine friedliche Zukunft einigen. Dabei sollte es im Klartext heißen, dass der sogenannte Arabischer Frühling weitgehend in Istanbul gestrickt wird. Eine schöne Vorstellung, die die Vormachtambitionen des Herrn Erdogan mit den Umwälzungen in der arabischen Welt perfekt kombiniert.



  Doch aus alldem wird nichts. Das hätten die Araber eigentlich schon viel früher wissen können. Etwa dann, als Erdogan einen Preis für Menschenrechte aus den Händen von Muamar Gaddafi gerne annahm - und wider besseren Wissens nie zurückgeben wollte. Es folgten mehrere Versuche von Erdogan, die Revolutionen in Tunesien, in Libyen und vor allem in Ägypten sozusagen zu vereinnahmen. Das ließ sich wunderbar mit dem Traum verbinden, dass das osmanische Reich in neuer Form eine Wiedergeburt erleben könnte. Die Türkei als Mittelpunkt des Orients, die die Wiederauferstehung einer großen Weltkultur anführt.

Eine Abfuhr erlebte Erdogan vor allem am Nil, wo die neuen Machthaber ihm kein Vertrauen schenkten und seine Träume als wahnsinnig und gefährlich eingestuft haben. Doch damit ist nicht genug. Inzwischen ist das Nachbarland Syrien von einem engen Freund der Türkei zu einem erbitterten Feind geworden. Die Animosität zwischen Erdogan und dem syrischen Präsidenten Bashar Assad kann wahrscheinlich nicht mehr überbrückt werden. Gelegentlich gibt es Militäreinsätze, bei denen Syrien und die Türkei sich gegenseitig abtasten. Dabei gab es schon viele Tote und Verletzte.

Die Türkei hat an vielen Stellen ihre Grenze zu Syrien bereits dicht gemacht. Das ist verständlich. Denn täglich kommen Flüchtlinge, die ein großes Problem für die Ortschaften im Grenzgebiet darstellen. Die eigene Bevölkerung übt Druck auf die Regierung aus, die ziemlich ratlos dasteht. Nun werden Konsequenzen gezogen. Die Türkei hat sich entschlossen, an einem Teil der Grenze eine Mauer zu errichten. Dieses Bauwerk hat eine praktische Funktion - den Strom der Flüchtlinge zu stoppen. Doch es hat auch eine starke symbolische Bedeutung. Die Türkei muss endgültig einsehen, dass die arabische Welt ihren Führungsanspruch ablehnt. Statt sich zu öffnen muss sich die Türkei abkapseln.

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